Dienstag, 10. September 2013

Tränen in den Augen

Da stand er nun in meinem Büro. Tränen in den Augen und völlig übermannt von seinen Gefühlen.
Schalk [Mitte 50] verlor vor 17 Jahren bei einem Verkehrsunfall seine Frau. Daraufhin brach sein Leben auseinander, er zog durch´s Land und lebte lange Zeit auf der Straße. Auch den Kontakt zu seinem Bruder, seinem einzigen verbliebenen Verwandten, brach er ab. 
Anfang Juni kam Schalk nach Melusi. Eigentlich wollte er nur eine Nacht hier bleiben und dann weiterziehen. Doch er fühlte sich wohl, blieb länger und denkt nun nicht mehr daran, wieder aufzubrechen. Melusi ist für ihn zu seinem Zuhause geworden.
Als wir neulich im Gottesdienst füreinander beteten, nannte auch Schalk sein Gebetsanliegen. Gott möge seinen Bruder segnen und falls er noch am Leben ist, würde er gern wieder Kontakt zu ihm haben. Nach dem Gottesdienst wollte ich ins nahegelegene Gefängnis fahren, um Calvin, unseren ehemaligen Resident zu besuchen. Doch auf dem Weg zum Auto hielt mich Schalk an. Er gab mir einen Zettel mit dem Namen seines Bruders. Das Letzte, was er von seinem Bruder noch wußte, war, dass er genau in diesem Gefängnis vor 17 Jahren gearbeitet hat.
Als ich dann vor dem Gefängnis warten musste, bot sich mir die Gelegenheit, einen Wärter auf Schalks Bruder anzusprechen. Tatsächlich konnte er sich an zwei Männer mit diesem Namen erinnern, die in diesem Gefängnis gearbeitet hatten. Doch der eine arbeitete schon seit Jahren nicht mehr dort und der andere ist vor 5 Monaten zu seiner Tochter gezogen. Nach etwas Überlegen konnte der Wärter mir aber noch den Namen einer weiteren Tochter mitteilen, die in unserer Nachbarstadt in einem Autohaus arbeitet.
Als ich Schalk auf die Kinder seines Bruders ansprach, konnte er sich nicht mehr erinnern. Und doch versuchten wir dann per Telefon unser Glück. Schalk probierte zweimal und hatte plötzlich seine Nichte am Apparat. Und nur eine halbe Stunde später sprach er nach 17 Jahren das erste Mal wieder mit seinem Bruder. Er hatte dabei Tränen in den Augen. Und ehrlich gesagt: Nicht nur er.

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