Mittwoch, 23. November 2016

Ruhe in Frieden

Gestern Morgen klingelte es gegen 6:30 Uhr an unserer Tür. Ein Mann, der die letzte Nacht auf der Polizeistation geschlafen hatte, war auf der Suche nach einer Unterkunft und fragte bei uns an. Noch während ich mit ihm Gespräch war, kamen zwei Straßenjungen, die wir nun schon seit einiger Zeit kennen und die gern zu uns zurückkommen wollten. Nur wenige Stunden später stand dann plötzlich eine sechsköpfige Familie vor unserer Tür und bat um Unterkunft. 
Im Moment platzt unsere Wohnprojekt für obdachlose Männer aus allen Nähten. Auch wenn wir nur den Vater und den ältesten Sohn der Familie aufnehmen konnten - für den Rest haben wir schnell noch eine andere Lösung gefunden -, waren damit alle unsere Betten plus Notbetten belegt. Voll Haus. 
Noch nie hatten wir so viele verschiedene Männer in einem Jahr wie in diesem. Wahrscheinlich werden es Ende Dezember um die 100 Männer gewesen sein, die bei uns untergekommen sind und mitgewohnt haben. Gründe für den Anstieg gibt es verschiedene. Doch vermutlich einer der wichtigsten ist, dass viele unsere Männer sich in Melusi persönlich angenommen fühlen und in unserer Gemeinschaft eine neue Familie finden.


Einer von ihnen war Bertie [61]. Als er vor 4,5 Jahren zu uns kam, hatte er zuvor 20 Jahre lang auf der Straße oder in den verschiedensten Sozialprojekten gewohnt. Doch in Melusi fand er etwas, was er schon vor vielen Jahren verloren hatte: Heimat und Familie. In seiner Zeit mit uns hatte Bertie viele Männer kommen und gehen sehen, doch er blieb und wurde Teil unserer Gemeinschaft. Er war ein absolutes Unikat. Nicht von allen immer verstanden, aber von jedem respektiert und geschätzt. 
Gestern Abend ist Bertie sehr plötzlich verstorben. Sein Körper war gezeichnet von seinem früheren Lebensstil und konnte einfach nicht mehr. Jeder Atemzug wurde zur Qual. Auch wenn sein plötzliche Tod für uns überraschend kam, so war es doch für ihn eine Befreiung. Bertie verstarb Zuhause im Kreise seine Familie. Doch das Wichtigste ist: Er hatte Frieden mit Gott gefunden und Frieden über sein bewegtes und oft sehr schwieriges Leben. Ruhe in Frieden.

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