Sonntag, 18. Februar 2018

Bittere Enttäuschung

Es war eigentlich mein Lieblingsartikel im neuen Melusi Freundesbrief. Clinton [25 Jahre] hatte eine beeindruckende Geschichte zu erzählen. Früh hatte er seine Mutter verloren und zu seinem Vater gab es nie eine echte Beziehung. Er wuchs mit seinen Verwandten auf und war ziemlich auf sich allein gestellt. Irgendwann fing er leider an, mit Freunden Drogen zu nehmen. Dies ging nicht sonderlich lange gut und so landete er relativ bald im Gefängnis. Vor einem halben Jahr wurde er entlassen und von seinen Verwandten nach Melusi gebracht. Sie kannten unsere Arbeit durch Clinton's Vater, der als wohnungsloser Mann zweimal für längere Zeit bei uns wohnte. Nun also sein Sohn. 
In vielem ähnelte Clinton seinem Vater. Zurückgezogen, ruhig, schüchtern, wenn er sprach dann nur recht leise - ein Einzelgänger. Doch in seiner Zeit in Melusi schien Clinton so langsam aufzutauen. Er machte richtig gute Fortschritte, blühte am Ende regelrecht auf, setzte sich oft für andere mit ein, war verantwortungsbewußt und schien seine Drogenprobleme gemeistert zu haben. Jedenfalls dachten wir dies.
Zuerst waren wir noch geschockt als sein Cannabistest positiv ausfiel. Doch er versicherte uns glaubhaft, dass er in letzter Zeit nur einmal nicht widerstehen konnte. Es war ihm sichtlich peinlich. So gaben wir ihm eine weitere Chance und hofften, dass er daraus lernen würde. Doch in den darauffolgenden Tagen kam leider noch viel mehr ans Licht. Regelmäßig hatte Clinton in den letzten Wochen Cannabis und Heroin beschafft und mit nach Melusi gebracht. Bis zum Schluß hat er aber die anderen Männer beschuldigt und sich als Opfer dargestellt. Er hat unser Vertrauen in ihn bewußt ausgenutzt. Letztendlich haben wir Clinton wegschicken müssen - wie drei weitere Residents, die mit ihm Drogen genommen haben. Eine bittere Enttäuschung. 
Clinton's Artikel haben wir daraufhin aus dem Freundesbrief wieder herausgenommen. Sie war wunderschön, doch leider nicht wahr.

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