Ziemlich
gelangweilt saß Khulani mir gegenüber. Neben ihm noch drei weitere junge Männer.
Die vier kannten sich nicht, doch kämpften sie alle mit dem gleichen Problem:
Whoonga – eine Art verunreinigtes Heroin, gestreckt mit Reinigungsmitteln und
Rattengift. Es ist billig, leicht erhältlich und hat ein extrem
hohes Suchtpotential. Allein in unserer Kleinstadt [ca. 30 000 Einwohner] sind
weit über hundert vor allem junge Leute davon abhängig und es scheinen, jeden
Tag mehr zu werden. Seitdem die ersten Männer vor ca. zwei Jahren nach Melusi kamen
und frei geworden sind, hat es sich schnell herumgesprochen, dass wir Hilfe
anbieten. Regelmäßig stehen nun Drogenabhängige vor unserer Tür und bitten
inständig darum, aufgenommen zu werden.
Die staatlichen Hilfsangebote sind überaus überschaubar
oder einfach nicht vorhanden. Die Krankenhäuser bieten keinen Entzug an,
Methadon [ein unterstützendes Medikament, um von Heroin freizukommen] wird
nicht verschrieben und auf einen der wenigen Rehabilitationsplätze muss man
monatelang warten. Private Hilfsangebote sind für die meisten Männer keine
Option, da sie für sie viel zu teuer sind.
Daher kommen nun mehr und mehr Abhängige nach Melusi, um
ihre Sucht zu überwinden. Dank der Zusammenarbeit mit einem Privatarzt haben
wir die Möglichkeit, unseren Männern für eine kurze Zeit Methadon zu
verabreichen, welches ihnen hilft, die extremen körperlichen Schmerzen und
Krämpfe der ersten Tage zu überstehen.
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Im Gespräch mit Khulani |
Auch wenn viele
Männer mit großen Versprechungen und Hoffnungen starten, wir enorm viel Zeit
und Kraft in sie investieren, verlässt doch ein Großteil der Abhängigen Melusi
in den ersten beiden Wochen. Entweder sie rennen weg, weil sie die
Entzugserscheinungen und die damit verbundenen Schmerzen nicht mehr ertragen
wollen oder sie gehen, sobald sie sich besser fühlen. Für uns ist dies alles ziemlich
kraftraubend und zugleich ernüchternd und teilweise frustrierend.
Wir beten für unserer
Männer, dass Gott sie freisetzt, ihre Würde wiederherstellt und ihnen eine neue
Hoffnung und Perspektive für ihr Leben gibt. In unseren Andachten,
Gottesdiensten und persönlichen Gesprächen mit ihnen sprechen wir immer wieder über
Jesus, dem alle Macht gegeben ist und der Menschen freisetzen möchte. Wir durften
dies schon so oft miterleben und glauben von ganzem Herzen, dass er gesandt
wurde, „den Armen gute Botschaft zu
bringen, den Gefangenen zu verkünden, dass sie frei sein sollen, und den
Blinden, dass sie sehen werden, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen, und ein Jahr der Gnade des Herrn auszurufen.“
[Lukas 4.18-19].
Doch in Bezug auf
unsere drogenabhängigen Männer kommen uns manchmal Zweifel daran. Viele von
ihnen verlassen Melusi, ohne wirklich frei geworden zu sein, ohne Jesus und
seine Kraft persönlich erfahren zu haben und ohne eine neue Zukunftsperspektive.
Natürlich glauben wir noch immer, dass Jesus auch heute noch die Kraft hat,
Menschen zu heilen, freizusetzen und neues Leben einzuhauchen. Natürlich
glauben wir noch immer, dass „Wenn euch
nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“ [Johannes 8.36]. Doch ehrlich
gesagt stehen wir manchmal in der Gefahr, an diesem Glauben zu zweifeln und die
Hoffnung für unsere Männer zu verlieren.
Khulani war einer
von sieben Männern, die Anfang September innerhalb von zwei Tagen in Melusi aufgenommen
worden. Alle äußerten den gleichen Wunsch: "Ich möchte mein Leben
ändern.", doch Khulani schien das wenigste Interesse zu zeigen.
Gelangweilt saß er in seinem Stuhl und hörte sich meine einführenden Worte an. Als
ich ihn mir so betrachtete, kamen mir wieder diese Zweifel: „Macht es überhaupt
Sinn, dass wir uns in ihn investieren? Wird nicht unsere Zeit, unsere ganze
Mühe, der viele Aufwand wieder umsonst sein? Wird Gott sein Leben wirklich
berühren oder wird Khulani wie viele vor ihm in den nächsten Tagen ohne
sichtbare Veränderung wieder aus Melusi verschwinden?“ Um ehrlich zu sein, hielt
sich meine Hoffnung für ihn in Grenzen.
Schon am nächsten
Tag rannten die ersten beiden der sieben Neuankömmlinge wieder weg. Zwei Tage
später ging der nächste und noch bevor die erste Woche vorbei war, mussten wir
zwei weitere Männer wegschicken, da sie rückfällig geworden waren. Die erste
Woche - zugegebenermaßen die schwierigste - haben nur zwei von sieben
geschafft. Einer auch nur deshalb, weil wir ihm eine zweite Chance gegeben
haben.
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Zwei von sieben - Khulani mit seinem Freund |
Khulani war zu
meinem Erstaunen derjenige, der sich von allem am besten machte. Auch nachdem
er den körperlichen Entzug geschafft hatte, entschied er sich bewusst, in
Melusi zu bleiben. Er schien es wirklich ernst zu meinen und wir durften eine
positive Veränderung in ihm sehen. Sollte es doch Hoffnung für Khulani geben?
Sollte es doch nicht umsonst sein, dass er zu uns kam? Sollte es Gott wirklich möglich
sein, diesen jungen Mann freizusetzen und ihm ein neues Leben zu schenken?
Khulani wird Melusi demnächst wieder verlassen. Von ganzem Herzen beten
und hoffen wir, dass er es gut schaffen wird – nicht nur hier, sondern auch
wenn er wieder Zuhause sein wird. Für Gott ist jedenfalls nichts unmöglich,
auch wenn wir manchmal daran zweifeln.